Allgemeines

Ist Myanmar überlaufen?

Myanmar hat sich dem Tourismus nur zögernd geöffnet, weil dieser – wie in anderen Ländern zu beobachten – nicht nur positive Auswirkungen hat. Diese Fehler möchte man hier vermeiden und geht entsprechend behutsam an den Ausbau des Tourismus. Sicher, die Zeiten, in denen Axel Bruns zum ersten Mal hier ankam und einer von insgesamt 20.000 Besuchern in jenem Jahr war, sind längst vorbei.
Nun hören wir manchmal besorgte Fragen, ob es nicht schon ‚zu spät‘ sei für eine Reise nach Myanmar. Das Land sei doch bestimmt schon ‚überlaufen‘ (oder gar: ‚versaut‘!), jetzt, wo schon drei Millionen Besucher im Jahr kommen. Keine Sorge! Es mag zwar sein, dass 2016 insgesamt drei Millionen Besucher zu verzeichnen waren, aber die überwältigende Mehrheit von ihnen sind Tagestouristen, die über die thailändische Grenze kommen. Sei es auf dem ‚Visa-Run‘, sei es, um in Tachileik oder anderenorts billig einzukaufen. Wer genauer hinschaut, wird sehen, dass z. B.

die großartige Shwedagon-Pagode in Yangon 2016 nicht einmal eine halbe Million ausländische Besucher anzog (gesicherte Zahlen anhand der Statistik der verkauften Tickets für die Shwedagon – im Gegensatz zur ‚offziellen‘ Besucherstatistik). Davon waren sicher mindestens 50 % thailändische Pilger…
Noch deutlicher wird es, wenn man sich die Besucherzahlen in Bagan, für viele Besucher die größte Sehenswürdigkeit des Landes, anschaut: gerade einmal 150.000 Touristen (d. h., nicht einmal 5 % der Besucher des Landes) verirrten sich 2016 dorthin. Das sind die wahren Zahlen! Die Zahl der Deutschen, die Myanmar besuchten, dürfte 2016 nicht 30.000 überschritten haben. Zum Vergleich: nach Thailand kamen 2016 fast 900.000 Deutsche!

Warum Myanmar?

Es ist nicht abzustreiten, dass Myanmars Ruf in der internationalen Presse lange Zeit miserabel war, und daran hat sich wenig geändert. Berichte über Militärdiktatur, Unruhen, Bürgerkriege und Naturkatastrophen dominierten die Schlagzeilen und klangen wenig einladend. Soweit es denn überhaupt solche Berichte gab, denn Berichte über das frühere Burma/Birma waren ausgesprochen rar. 
Seit Beginn der Demokratisierung (2010) hat sich das etwas gebessert, obwohl der vermeintlich sehr schleppende Demokratisierungsprozess von vielen Beobachtern skeptisch gesehen wird. 
Leider beobachten wir immer wieder, dass die Berichterstattung über Myanmar seit langer Zeit sehr einseitig ist. Während Bundespräsident Weizsäcker noch bei seinem Besuch im Jahre 1986 das ‚burmesische Modell‘ ausdrücklich lobte, änderte sich die Sichtweise nach dem Volksaufstand von 1988 radikal. Von da an waren nur noch negative Bericht über Myanmar zu lesen und zu sehen. 
Derzeit dominiert das Thema ‚Rohingyas‘ die Schlagzeilen. Wenn man sich die Berichte einmal anschaut, stellt man fest, dass keine einzige Stimme die Sichtweise der buddhistischen Mehrheit des Rakhine-Staates wiedergibt. Das sollte jedem zu denken geben, der sich ein Bild von der Situation machen will! Sollte man nicht beide Seiten hören? Stattdessen wird die buddhistische Mehrheit diffamiert (inklusive der Soldaten der burmesischen Armee) und als eine mordlustige Meute dargestellt, die größtes Vergnügen daran findet, moslemische Frauen zu vergewaltigen und ihre Babys an Häuserwänden zu zerschmettern! Kann man das wirklich glauben? Wir nehmen nicht für uns in Anspruch, die Situation in Rakhine umfassend beurteilen zu können. Das kann keiner, der nicht vor Ort ist – was derzeit Außenstehenden nicht möglich ist. 
Aber wir können Ihnen Quellen zugänglich machen, die es Ihnen ermöglichen, sich ein unvoreingenommenes Bild von der Situation dort zu machen, so z. B. durch Berichte von Fachleuten und Kennern der Geschichte Rakhines! Auf Wunsch nennen wir Ihnen gern die Quellen. Die genannten Faktoren haben die Entwicklung des Landes seit der Unabhängigkeit 1948 geprägt und behindert. Der bis 1962 regierende, demokratisch gewählte Premier U Nu hatte seine liebe Mühe, den Vielvölkerstaat mit mehr als 120 ethnischen Gruppen zusammen zu halten. 
1962 ergriff das Militär die Macht und gab sie erst 2010 wieder her. Der von Militärdiktator Ne Win (regierte 1962-1988) eingeschlagene ‚Burmesische Weg zum Sozialismus‘ entpuppte sich als Sackgasse und trug zur Verelendung des Landes bei. Darüber hinaus schottete Ne Win das Land stark ab und so blieb die Zeit irgendwann einfach stehen in Myanmar. 

Auch im neuen, demokratischen Myanmar stellen die Militärs einen starken Machtfaktor dar. Viele der Probleme des Landes wurzeln in der britischen Kolonialzeit (1852-1947), in denen die Kolonialmacht die ethnischen Minderheiten (und die indischen Einwanderer!) gegen die burmesische Mehrheit ausspielte. 
Dann kam der Zweite Weltkrieg, der wohl kein Land der Region so stark betraf wie Myanmar. Zweimal ging die Walze des Krieges über das Land hinweg: auf ihrem Rückzug vor den Japanern 1942 zerstörten die Briten weitgehend die Infrastruktur des Landes, die Japaner besorgten 1945, als sie das Land verloren, den Rest. 
Wer die moderne Geschichte Myanmars verstehen will, sollte unbedingt das Buch ‚The River of lost Foot Steps‘ von Than Myint Oo, dem Enkel des seinerzeitigen UN-Generalsekretärs U Thant, lesen. Dann wird klar, dass die Geschichte Myanmars nicht anders verlaufen konnte, als wie geschehen… ‚Myanmar – Reise in eine verlorene Zeit‘  heißt der Film von Roman Teufel, und genau diese verlorene Zeit, die so viele ältere Besucher an die eigene Kindheit erinnert, findet man noch heute dort. 
Ochsenkarren zählen nach wie vor zu den üblichen Verkehrsmitteln, die Landwirtschaft ist kaum mechanisiert, nur 23 % der Bevölkerung, die überwiegend noch den traditionellen Wickelrock (longyi) trägt, ist ans Stromnetz angeschlossen. In den großen Städten hingegen schreitet die Modernisierung doch schon relativ zügig voran. Es gibt mit Sicherheit viele schöne Destinationen in der Region, aber Myanmar ist (und war!) schon immer ganz anders als seine Nachbarländer. Wie drückte es der britische Dichter Rudyard Kipling gegenüber einem Freund so treffend aus? „This is Burma and it will be quite unlike any land you know about!” 
Neben den oben genannten Gründen spielt auch die geographische Lage des Landes eine Rolle: auf der Landseite hufeisenförmig umschlossen von Gebirgen hat das Land zwar eine sehr lange Küste aber es liegt abseits der großen Schiffahrtswege in den Fernen Osten. So war es von fremden Einfüssen weniger stark betroffen als andere Länder der Region und konnte seine Eigenheiten besser erhalten als jene.

Geographie

Die Fläche Myanmars (687.000 qkm) ist etwa doppelt so groß wie die des vereinigten Deutschland und es erstreckt sich über etwa 2.000 km von Nord nach Süd und mehr als 900 km von Ost nach West. Es hat Landgrenzen von insgesamt 4.640 km, die es im Westen gegen Indien und Bangladesh, im Norden gegen China und im Osten gegen Laos und Thailand abschließen. Das Land hat seinen Besuchern viel zu bieten: eine 2000 km lange Küstenlinie, gesäumt von Mangrovewäldern und traumhaften Stränden, die höchsten Berge Südostasiens (Hkakaborazi, fast 6.000 m hoch) in den Ausläufern des Himalaya, sowie Mittelgebirge mit dramatischem Formenschatz (Goldener Felsen! Höhlen!). Hinzu kommen Wälder, in denen sich Tiger und Elefant gute Nacht sagen, weite Ebenen mit großen unregulierten Flüssen. Eine besondere Attraktion ist der Mergui-Archipel im Süden des Landes, wo mehr als achthundert, weitgehend unerschlossene Inseln im Dornröschenschlaf liegen. 
Der Hauptteil des Landes liegt zwischen dem nördlichen Wendekreis und dem Äquator. Diese Lage und die Tatsache, dass das Land durch besagte Gebirge gegen das Eindringen kalter Luftmassen aus Zentralasien abgeschirmt wird, bedingt das überwiegend tropische Klima, das weitgehend vom Regime des Monsuns bestimmt wird. Im Nord-Sommer (Mai bis September) führt der SW-Monsun gewaltige Wassermassen vom Golf von Bengalen heran. An der Küste Arakans werden dann Niederschläge von mehr als 6.000 mm jährlich gemessen (zum Vergleich: in Berlin fallen etwas mehr als 600 mm jährlich). 

Auf der Leeseite der Küstengebirge nehmen die Niederschläge dramatisch ab: in der Trockenzone um Bagan fällt nicht einmal ein Zehntel der Niederschlagsmenge, die im 200 km Luftlinie entfernten Sittwe/Arakan gemessen werden. Das ist auch der Grund dafür, dass wir hier in Myanmar die Regenzeit ‚Green Season‘ nennen. Selbst in den Trockengebieten ist alles wunderbar grün, die Flüsse sind voller Wasser – eine gute Reisezeit, wenn man nicht unbedingt an den Strand will oder sich in den Küstengebieten aufhalten möchte. Im Nord-Winter dreht sich der Wind: dann beherrscht trockene NO-Monsun das Wetter des Landes und es fallen kaum Niederschläge – so lange, bis der SW-Monsun einsetzt. Als beste Reisezeit gilt gemeinhin die ‚Kühle Jahreszeit‘, d. h., die Zeit von November bis März. Vor allem um die Jahreswende kann es in den höher gelegenen Landesteilen (z. B. im Shan-Staat) nachts erstaunlich kühl werden. Andererseits sollte man sich von dem Namen nicht täuschen lassen. Tagsüber herrschen Temperaturen, die mindestens denen Deutschlands im Hochsommer entsprechen. Oft ist es auch in der ‚Kühlen Jahreszeit‘ recht heiß! Die Hitze nimmt vom März bis zum Einsetzen des SW-Monsuns stetig zu und wird im April und Mai ausgesprochen unangenehm. Dann suchen selbst Burmesen – soweit sie es sich leisten können – Abkühlung in den höher gelegenen Gebieten. Und anschließend kommt die Green Season – meine persönliche Lieblings-Saison!

Land und Leute

Myanmar ist ein Vielvölkerstaat, in dem mehr als 50 Millionen Einwohner leben. Den Löwentanteil stellen die ethnischen Burmesen (Eigenbezeichnung: Bamar), die vor allem die großen Flussebenen besiedeln. Sie stellen ca. 2/3 der Bevölkerung und ihre Sprache, Burmesisch, ist die Staatssprache des Landes. Daneben gibt es mehr als 125 ethnische Minderheiten sehr unterschiedlicher Größe: das geht von den Shan, die fast 10 % der Bevölkerung stellen, über die Karen (7%) und die Rakhine (4%) bis hin zu kleinen Stämmen, die nur einige tausend Köpfe umfassen. Sie sprechen achtzig verschiedene Sprachen! Hinzu kommen ungezählte Dialekte. 
Daneben leben im Lande Minderheiten von Indern, Chinesen und anderen, die in der britischen Kolonialzeit (1852-1948) eingewandert sind, aber nicht zu den anerkannten Volksgruppen gezählt werden, obwohl sie z. T. die burmesische Staatsbürgerschaft besitzen. 
Die Probleme mit den moslemischen Bengalen bzw. Rohingya im Arakan-Gebiet haben es ja sogar in die Schlagzeilen der westlichen Presse geschafft. Der Buddhismus ist die beherrschende Religion des Landes, etwa 90 % der Bevölkerung (vor allem Bamar, Shan, Rakhine aber auch die Mon und viele Karen) bekennen sich zur Lehre des Erleuchteten. Der Rest der Bevölkerung besteht zu etwa gleichen Teilen aus Christen und Moslems, hinzu kommen Hindus und Animisten. Die Moslems sind zum größten Teil Einwanderer aus Indien, während die Christen vor allem zu den Bergvölkern gehören, wo die Mission erfolgreich war. Es herrscht Religionsfreiheit in Myanmar, trotzdem gibt es häufg Spannungen, vor allem zwischen Buddhisten und Moslems. 
Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt in Städten. Seit 2005 ist das neu erbaute Naypyitaw, etwa auf halbem Wege zwischen Yangon und Mandalay gelegen, die Hauptstadt des Landes. Bisher ist es eine reine Verwaltungsstadt und hat wenig urbanes Leben zu bieten. Yangon, das von 1852 bis 2005 die Hauptstadt war, ist die mit Abstand größte Stadt des Landes, in der etwa 6 Millionen Menschen wohnen. Mandalay, die letzte Hauptstadt der burmesischen Könige, zählt ca. 1.5 Millionen Einwohner. Größere Städte sind Mawlamyaing, Sittwe, Bago und Taunggyi. 
Myanmar hat viel zu bieten: wunderschöne Landschaften und alte Hochkulturen, die an vielen Stellen des Landes ihre Spuren hinterlassen haben. Ob in den Tempelstädten von Bagan und Mrauk Oo oder in den alten Städten in der Ebene von Mandalay, ob an der goldenen Shwedagon-Pagode in Yangon, vor dem goldüberladenen Mahamuni-Buddha von Mandalay oder auf dem Goldenen Felsen im Südosten des Landes – der Besucher kann nur staunen! 

Doch das größte Kapital des Landes sind seine umwerfend freundlichen Menschen. Egal ob in Yangon oder in einem Dorf am Chindwin-Fluss oder in den Stammesgebieten: überall schlägt dem Gast diese offene, freundliche Herzlichkeit entgegen, die den Bewohnern Myanmars zu eigen ist. Der Buddhismus trägt nach unserem Erachten nicht wenig dazu bei: in kaum einem Land der Welt scheinen uns die Leute so zufrieden zu sein wie hier in Myanmar. Und das trotz teilweise bedrückender Armut, die Menschen im Westen schon lange verzweifeln ließe. Ein in den 60er Jahren erschienenes Buch von Tonny Rosiny trägt den Titel ‚Birma – Das Glück des einfachen Lebens‘, was auf den ersten Blick sehr klischeehaft erscheint. Wenn man dann aber hier ist, dann stellt man fest: ‚Ja, genau so ist es!‘… 
In den bergigen Randgebieten Myanmars wohnen die Minderheiten, die auf sehr unterschiedlichen Kulturstufen leben: neben hochentwickelten Gesellschaften wie denen der Shan, stehen andere, die gerade die Stufe der Jäger und Sammler verlassen haben. Eine bunte Vielfalt, die den Besucher staunen lässt. Dazu braucht man nicht unbedingt zu den berühmten ‚Giraffenfrauen‘ im Kayah State fahren… 
Myanmar ist ein sehr sicheres Land, die Kriminalitätsrate niedrig. Dafür sorgen nicht zuletzt drakonische Strafen. Straftaten gegen Touristen sind eine Ausnahme, wenn man einmal von den üblichen Delikten wie Taschendiebstahl oder Betrug auf dem Geldschwarzmarkt absieht. Und wenn auch hier und da Müllhaufen die Landschaft verschandeln und einem im Yangoner Verkehrschaos die Luft wegzubleiben scheint: Myanmar hat einen CO2-Ausstoß von 0.2 Tonnen pro Kopf/Jahr, das entspricht etwa einem Fünfzigstel von dem, was jeder Deutsche produziert…