Seitdem ich 1977 das erste Mal nach Myanmar (damals noch Burma genannt) kam, hatte ich davon geträumt, diesen Trip zu machen. Wie oft stand ich in Taunggyi oder Kyaing Tong und malte mir aus, wie es wohl sein würde, wenn man diese Tour ‚overland‘ machen könnte. Und was hatte ich nicht alles gehört über den Straßenzustand und die Dauer der Reise. Eine Schmugglerin in Mae Sai erzählte mir einmal, dass ein LKW von dort nach Taunggyi vierzehn Tage braucht. Wie gern wäre ich mitgefahren! Etliche Jahrzehnte war es schlicht unmöglich, denn die Straße (NH 27) führt durch ein Gebiet, das lange von Insurgenten und Stammesarmeen kontrolliert wurde. Auch heute kommt es noch zu Zusammenstößen zwischen der Armee und Rebellengruppen. Jedoch: Kein Grund zur Sorge! Sobald es Probleme gibt, wird die Straße gesperrt. Und jetzt, 42 Jahre später, wurde mein Traum wahr!
Die offiziellen Angaben zu dieser Reise sind widersprüchlich. MTT (Myanmar Travel & Tours) sagte uns, dass gar keine Genehmigung (Permit) benötigt würde. Andere wieder sagten, dass es ohne Permit nicht ginge. Also besorgten wir uns vorsichtshalber eins. Das stellte sich als gute Idee heraus, denn als wir an der Salween-Brücke ankamen, teilten uns die Polizisten dort mit, dass sie uns ohne Permit nicht über die Brücke gelassen hatten. Also besser ein Permit beantragen! Alle mitreisenden Ausländer müssen in dem Permit aufgelistet werden. Falls jemand im letzten Moment abspringt, einfach den Namen streichen. Und nicht vergessen, jede Menge Passkopien und Kopien des Permits mitzubringen. Die burmesische Bürokratie ist unersättlich! Ausländer müssen in Begleitung eines Guides reisen. Es stellte sich heraus, dass wir auch ohne Permit problemlos von Heho bis zum Salween hätten fahren können. Keine Checkpoints! Ohne Permit können Ausländer offenbar bis zum Salween fahren. Wie wir hörten, kann man in dem Fall auch dort wohnen, wo es einem zusagt. Vorausgesetzt natürlich, die Unterkunft hat eine Lizenz zur Aufnahme von Ausländern… Mit Permit kann man nur in Namhsan übernachten. Wir bezahlten 40.000 Kyat für eine halbwegs passable Unterkunft. Mit heißem Wasser! Worüber man sich freut, denn die Nächte dort oben sind kalt!
Wir waren zu sechst (Tobias und Htet Htet, Klaus, Lucas, Andreas und ich) in einem recht komfortablen Hyundai H 1 der Yoma Fleet unterwegs. Tobias hat einen burmesischen Führerschein und fuhr die gesamte Strecke. Insgesamt sind es 480 km von Heho nach Kyaing. Von Heho nach Nam Hsam sind es ca. 160 km. Das bedeutet, dass man zwei Drittel der Strecke an einem Tag zurücklegen muss. Es ist streng untersagt, nachts zu fahren. Daher am besten gleich nach Sonnenaufgang in Nam Hsam losfahren!
Um halb zehn fuhren wir von Heho ab und erreichten Namhsam um vier Uhr nachmittags. Da wir am ersten Tag viel Zeit hatten, legten wir viele Stopps ein. Den ersten in Hopong, ca. 50 km von Heho entfernt. Dort gibt es eine berühmte Höhle namens Htam Sam Cave. Eintritt für Ausländer: unglaubliche 20 (zwanzig!) USD. Das muss wohl das teuerste Eintrittsgeld im ganzen Land sein. Immerhin billiger als die vatikanischen Museen! Daher beauftragten wir unsere einheimische Reiseleiterin, dort Fotos zu schließen. Was sie auch tat.
Als wir die Brücke über den Nampawn River überquerten, sahen wir im Fluss ein (antikes) Eimerschöpfrad, mit dessen Hilfe die umliegenden Felder bewässert wurden. Dem Aussehen nach zu urteilen, muss es dort schon Jahrhunderte seinen Dienst leisten. Nach ein paar Meilen erreichen wir Panglong, Schauplatz des historischen Treffens zwischen Aung San und den 23 Vertretern der ethnischen Minderheiten. Im Ort gibt es interessante Tankstellen und gute Shan-Noodles, die wir uns zum Mittagessen reinzogen. Anschließend besuchten wir die Konferenzstätte, wo am 12. Februar 1947 (Union Day) das Panglong-Abkommen unterzeichnet wurde. Ich hatte eigentlich ein Haus erwartet, aber offenbar fand die Unterzeichnung unter freiem Himmel statt. Oder unter einem Baum. Wir fuhren weiter und nachdem wir einen 1.700 m hohen Pass überquert hatten, erreichten wir unser Tagesziel Namhsam. Wir übernachteten im PINELAND 2 Hotel für 40.000 Kyat.
Wir verließen Namhsam um 6.30 a.m. Unweit Kho Lam hielten wir in einem kleinen Dorf der Ta’Ang Palaung. Die Männer tragen bemerkenswerte Pluderhosen, die wir vorher nie gesehen hatten. Nicht weit entfernt davon liegt der wunderschöne Nawng Phar Lake, über und über mit Lotus bewachsen. Besuch nicht versäumen! Nahe dem Kilometerstein 331 reckt sich ein sehr dominantes, dicht bewaldetes Massiv aus Reisfeldern. Nach ein paar km sahen wir festliche Aktivitäten und hielten an. Es handelte sich um eine Lahu-Hochzeit. Die Lahu sind Christen und wir sahen, wie zwei Brautpaare von einem Priester gesegnet wurden. Die Bräute waren 16 und 17 Jahre alt, die Ehemänner in spe sahen nicht viel älter aus. Wir wurden zum Festschmaus eingeladen (viel Fleisch!), aber da wir noch einen langen Weg vor uns hatten, mussten wir uns den Genuss leider verkneifen. Wir überquerten den imposanten Pang River, einen Nebenfluss des Salween (burm.: Than Lwin). Und nicht viel später lag er endlich vor uns: Der Salween River! An der Brücke war der erste Checkpoint während unserer Reise. Die Polizisten dort waren sehr freundlich und sagten uns, dass wir die Brücke ohne Permit nicht hätten überqueren dürfen. Ende der Fahnenstange! Aber wir hatten ja eines! Für manche mag es überraschend sein, dass der Salween länger ist als der mächtige Ayeyarwady. Allerdings ist er als Schifffahrtsweg unbedeutend. Zum einen fließt er überwiegend durch gebirgiges, dünn besiedeltes Terrain. Zum anderen ist er nur bis zu 200 km von der Mündung flussaufwärts schiffbar. Der Ayeyarwady hingegen ist bis Bhamo, 1500 km von der Mündung entfernt, schiffbar. Wenn auch manchmal nur unter Schwierigkeiten, wie jeder weiß, der schon mal bis Bhamo hinaufgefahren ist! Sandbänke! Nicht weit vom Salween entfernt stoppten wir an einem romantisch gelegenen kleinen Wasserfall. Zu unserer Überraschung fanden wir dort überhaupt keinen Plastikmüll! Ein seltenes Erlebnis im Goldenen Land. Seltsamerweise fanden wir dort eine (biologisch abbaubare!) Unterhose, die über einen Baumstamm gelegt war. Der Besitzer war jedoch weit und breit nicht zu sehen. Bevor wir das Becken von Kyaing Tong erreichten, mussten wir noch eine Passhöhe von fast 2.000 m überwinden, ehe wir an unserem Ziel ankamen.
Kyaing Tong ist eine geruhsame Stadt, die einst der Sitz eines wichtigen Shan-Fürsten war. Seit meinem Besuch 2002 hat sich dort eine Menge getan. Es gibt inzwischen einige recht ordentliche Restaurants. Am besten gefiel uns das Iron Cross, von dessen Terrasse man einen schönen Blick über den See hat. Wir wohnten im Amazing Kyaing Tong Hotel, dem früheren Kyaing Tong New Hotel. Es wird von vielen Reisenden gemieden, weil es an der Stelle des 1991 von der Militärregierung abgerissenen Palastes des Shan-Sawbwas (Haw) steht. Jeder muss das für sich selbst entscheiden, aber ich denke, es ist mit Abstand das beste Hotel vor Ort. Natürlich im sozialistischen Stil, ich fühlte mich in die die ‘gute alte Zeit‘ versetzt. Das Frühstück ist ganz passabel: Es gibt Butter statt Mother’s Choice! Die Zimmer waren sauber und relativ groß, die Bäder in gutem Zustand. Funktionierendes Heißwasser, Air Condition und TV. Wenn man sich auch in Letzterem etwas mehr Auswahl gewünscht hätte. Einige unserer Kunden berichteten von einem Gefühl der Verlorenheit, das sie nachts auf den Gängen des vierstöckigen Gebäudes befallen habe. Sie seien sich vorgekommen wie im Overlook Hotel in Oregon, US, wo Szenen des Films ‚The Shining’ von Stanley Kubrick gedreht wurden. Jack Nicholson war jedoch nirgends zu sehen. Schade! Das Hotel hat sogar einen Swimmingpool. Darin tummelten sich viele fröhliche Kinder. Mir kam der Gedanke, dass es vielleicht gar keine so schlechte Idee war, den vormals der Nobilität vorbehaltenen Garten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Palast hätte aber gern stehen bleiben können. Wäre vielleicht besser gewesen, ein schönes Boutique-Hotel daraus zu machen. Hätte, hätte – Fahrradkette!
Die Stadt beherbergt eine erstaunliche Zahl an Tempeln. Zeitweise fühlte ich mich nach Chiang Mai versetzt. Nur die Luft war besser! Die meisten Tempel sind im laotischen Stil gebaut, burmesische Stilelemente sind eher selten. Wat Jong Kham ist definitiv der Schönste unter ihnen. Er beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Buddhastatuen. Die Wände sind mit Blattgoldbildern auf Lack geschmückt, die Szenen aus der Buddhavita, den Jatakas usw. zeigen. Ein interessantes Detail in dieser Region sind die Planetenandachtsstätten (gyo daing). Sie zeigen nicht die in Myanmar üblichen Tiere (wie z. B. den Löwen für Dienstag), sondern Buddhas in verschiedenen Haltungen (mudras und asanas).
Leider war es nicht gestattet, den zur Special Region 4 führenden Highway nach Mongla zu befahren, der ‘Hauptstadt’ der Region. Auch genannt Myanmar’s Las Vegas! Nur für Chinesen! Daher konnten wir auch die zwei schönen Dörfer der Loi Wa nicht besuchen: Wan Nyat und Wan Seng. Schade, dort gibt es so schöne Tempel. Dazu noch Langhäuser, in denen mehrere Familien wohnen. Damals sah ich noch Männer mit altertümlichen Flinten und Armbrüsten auf die Jagd gehen. Es gibt einen Menge Teeplantagen dort oben. Nur, vielleicht beim nächsten Mal! So fuhren wir nach Loi Mwe (von den Briten ‘Misty Mountain’ = Nebelberg genannt). Der Ort liegt etwa 30 km südlich von Kyaing Tong. Vom Highway Nr. 4 zur thailändischen Grenze geht eine Bergstraße ab – nichts für Angsthasen! Spektakuläre Reisterrassen unterwegs. Loimwe ist stolz auf einen künstlichen See, eine Pagode auf dem Hügel und eine katholische Kirche. Dort trafen wir einen Priester, der gerade das Neue Testament in seine Sprache (Akha) übersetzt hatte. Die ‚Hauptattraktion‘ ist vermutlich die frühere Residenz von Colonel Rubel’s, genau hundert Jahre alt. Zutritt leider nicht gestattet. Von hier aus wachte der Colonel über diesen östlichsten Ausläufer Britisch-Indiens.
Am zweiten Tag besuchten wir die Dörfer verschiedener Stämme in der Nähe von Kyaing Tong. Unter diesen hatten die christlichen Lahu und die buddhistischen Palaung die hübschesten Dörfer. Weiter oben am Berg wohnen die christlichen Akha. Dort finden sich mancherorts noch Spuren der alten animistischen Religion. Die alte Unsitte, Zwillinge (= Unglück verheißend) gleich nach der Geburt im Wald auszusetzen, ist inzwischen auch bei den noch animistischen Akha weitestgehend verschwunden. Heute gibt man sie stattdessen im Waisenhaus ab. Daher die erstaunliche Zwillingsdichte in diesen Institutionen. Die Eng (Ann) schließlich wohnen ganz oben am Berg. Dort ist die Landwirtschaft mühselig und die Erträge sind niedrig. Dementsprechend arm sind die Menschen. Die Eng haben noch viele Elemente ihres alten animistischen Glaubens behalten und sie tragen alle Tracht. Ihre schwarzen Zähne sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber ansonsten sind sie sehr nette Menschen, die gern Spaß haben. Nach der schweißtreibenden Trekkingtour kann man sich in den nahe gelegenen heißen Quellen erfrischen.
Fazit: Unbedingt machen! Falls ihr Hilfe bei der Planung braucht, leisten wir sie gern!
Fotos: Klaus Scholpp und Lukas Messmer!